Donnerstag, 7. März 2013

Diskussionen zur SMV und Liquid Democracy (3)

Als Antwort auf http://mannheimer-salon.de/?p=204
Deine Vision ist durchaus ein interessanter Punkt dieser Diskussion, insbesondere deine Annahme aus dem Eingangsparagraphen, dass mir nicht bewusst ist um was es bei der Liquid Democracy Debatte geht.
Das Gegenteil ist der Fall, daher auch die Vision in meinem letzten Blogpost

Ich will daher mal auf die einzelnen Punkte deiner Vision eingehen und ihnen meinen Entwurf gegenüberstellen.

Beteiligung: Impulsgeben oder nur dabei sein

Neue Dinge auszuprobieren ist gut, es ist toll und wichtig. Ich stimme dir diesbezüglich absolut zu! Ebenso wichtig ist es aber bewährtes zu verbessern. Manchmal gelingt der große Wurf, aber neben den "großen Entdeckungen" der Menschheitsgeschichte haben wir uns vor allem durch kontinuierliche Verbesserung weiterentwickelt. Klar war die Flugmaschine von Otto Lilienthal etwas revolutionäres, noch nie dagewesenes, aber die kontinuierliche Entwicklung brachte uns von dort bis zum Airbus A380 und zu brennenden Lithium Ionen Akkus ;)
Bewährtes zu verbessern ist die bewährteste Strategie die die Menschheit hervorgebracht hat.

Der Graben zwischen Technokratie und Bürgerbeteiligung

Der von dir angeschnittene Konflikt geht noch viel tiefer. Selbst Bundestagsabgeordnete, die ihrer Tätigkeit bezahlt und Vollzeit nachgehen, haben nicht die Möglichkeit sich ausreichend in alle Themen einzuarbeiten. Das Ergebnis sind Strukturen die ihnen halt geben, Fraktionszwang und Lobbyismus sind das Resultat einer Überforderung. Ein Gegenentwurf zu einer dies bekämpfenden Liquid Democracy kann hier zum Beispiel gut ansetzen: Die Energie des "Schwarms" wird gebündelt indem man einen selbstmoderierten Informationskanal baut in dem jeder seine Eingaben machen kann. Auf diese Art und Weise verbindet man bewährte Prinzipien: Die gewählten Volksvertreter können zu allen Sachfragen eine kompetente Beratung erhalten und Gegenpositionen hören, und die Bürger erhalten ein belastbares Sprachrohr nach oben.

Das soziale Netzwerk: Abseits von üblichen Grenzen

An dieser Stelle möchte ich auch mal dem vielbelasteten Begriff "Schwarmintelligenz" entgegentreten: Der Schwarm ist nicht intelligent. Wenn es heißt, dass der Durchschnitt aller Schätzungen einer Menschenmenge nahe am echten Ergebnis war, dann bedeutet das, dass die meisten Einzelmeinungen gnadenlos daneben lagen. Um den Schwarm intelligent zu machen bedarf es intelligenter Konzepte, Selbstorganisation ist in diesem Kontext schlicht nicht möglich. Gerade die Forschung an sozialen Netzwerken (nicht Facebook sondern das Sozialgeflecht um einen Menschen) zeigt, dass sich unser Kommunikationsverhalten geändert hat. Nachrichten und Informationen entwickeln ein Eigenleben und aufgrund der Natur des Menschen werden gerade agressive und destruktive Informationen präferiert weitergegeben. Peter Kruse ist mir durchaus bekannt, und hat meine Meinung (wie man ja lesen kann) mehr als nur ein bischen beeinflusst.

tl;dr: Was das für die Piraten bedeutet

Du sprichst von einem robusten System und dass wir soetwas brauchen, und da gebe ich dir vollkommen Recht. Ich frage mich nur inwiefern Liquid Democracy das ist? Vor allem die Analysen von Streetdog anhand des realen Testlaufs im BundesLiquid zeigen, dass sich Strukturen entwickeln die alles andere als wünschenswert sind. Gerade durch das Auftreten dieser Strukturen (extreme Machtkonzentration, etc.) ist ja schon erwiesen, dass das Prinzip Liquid Democracy keine eingebaute Robustheit aufweist. Wenn schon kleine Umsetzungsfehler solche Emergenzen bewirken dann ist das zugrundeliegende Prinzip fehlerbehaftet.

Mein Ausblick:

Ich habe meine Reise in dieses Gebiet vor fast 3 Jahren begonnen, und mein erster Schritt waren Definitionen. Ich habe untersucht was das Problem war und eine Strategie entwickelt. Das Ergebnis zu dem ich 2010 kam kann man hier nachlesen und sich auch als Videovortrag vom Nordbadentreffen anschauen: http://wiki.piratenpartei.de/BasDeM
Eine meiner Theorien die ich dabei nicht explizit vorgetragen habe - die aber zugrunde lag - ist, dass ein System nicht von oben aufgestülpt werden kann. Ein wirklich mächtiges System ist ein emergentes. Statt Arbeitsabläufe fest vorzuschreiben bietet man verschiedene Kommunikationskanäle mit verschiedenen Eigenschaften und verknüpft sie. Die Verknüpfung muss sorgfältig gewählt werden, für Findeco haben hier gerade die Leute von DisQussion viel eingebracht. Die Idee des Microblogging und das zugrundeliegende Modell der Alternativenentwicklung entspricht viel besser meiner ursprünglichen Idee als meiner ursprünglichen BasDeM Umsetzung. Nichtsdestotrotz hat bereits die ursprüngliche BasDeM Umsetzung meine Theorie bewiesen, ebenso wie die davon unabhängigen Versuche mit WikiArguments in Bayern.
Der große Schwachpunkt der direkten Demokratie war immer die Meinungsbildung, kriegt man den in den Griff hat man gewonnen, und es entstehen zur Zeit intelligente Systeme die genau das ermöglichen. Damit wird dann auch die Ablösung der repräsentativen Demokratie unnötig: Wenn ich das Wissens- und Informationsdefizit durch intelligente selbstorganisierte Netzwerke bekämpfen kann, dann bekämpfe ich damit auch die Vertrauenskrise in die Politik. Wer weiß, dass er jederzeit zu einer für ihn wichtigen Frage Stellung nehmen kann und gehört wird, der kann wieder vertrauen in Politik entwickeln.

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